Aufrechnung mit verjährten Schadensersatzforderungen wegen Beschädigung der Mietsache gegen Kautionsrückzahlungsanspruch
31. Juli 2024
Der Bundesgerichtshof hat am 10. Juli 2024 entschieden, dass eine Aufrechnung des Vermieters mit verjährten Schadensersatzforderungen wegen Beschädigung der Mietsache gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch des Mieters im Rahmen der Kautionsabrechnung regelmäßig auch dann möglich ist, wenn der Vermieter die ihm zustehende Befugnis, statt einer Wiederherstellung der beschädigten Sache Schadensersatz in Geld zu verlangen, nicht in unverjährter Zeit ausgeübt hat (BGH, Entscheidung vom 10.07.2024, Az: VIII ZR 184/23).
Dem Rechtsstreit lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin verlangte nach Beendigung des Wohnungsmietverhältnisses und Rückgabe der Wohnung am 8. November 2019 die Rückzahlung der von ihr geleisteten Barkaution in Höhe von rund 780 €. Der beklagte Vermieter rechnete (erst) mit Schreiben vom 20. Mai 2020 über die Kaution ab und erklärte die Aufrechnung mit – streitigen – Schadensersatzansprüchen wegen Beschädigung der Mietsache in einer das Kautionsguthaben übersteigenden Höhe. Die Klägerin hat sich insoweit auf Verjährung berufen. Die Klage hatte in den Vorinstanzen (AG Erlangen – 1 C 302/21 – Urteil vom 7. Juli 2022 und LG Nürnberg-Fürth – 7 S 3897/22 – Urteil vom 25. Juli 2023) Erfolg.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass eine von den Parteien im Wohnraummietverhältnis getroffene Barkautionsabrede typischerweise dahingehend auszulegen ist, dass die Möglichkeit des Vermieters, sich nach Beendigung des Mietverhältnisses im Rahmen der Kautionsabrechnung hinsichtlich etwaiger Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung der Mietsache durch Aufrechnung befriedigen zu können, nicht an einer fehlenden Ausübung der Ersetzungsbefugnis in unverjährter Zeit scheitern soll.
Die Vorinstanzen haben maßgeblich auf § 548 Abs. 1 BGB abgestellt, wonach Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung der Mietsache innerhalb der kurzen Frist von sechs Monaten verjähren (§ 548 Abs. 1 BGB). Hiernach wäre Verjährung eingetreten. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs hat das Berufungsgericht jedoch die beiderseitigen Interessen der Parteien eines Wohnraummietverhältnisses im Falle der Vereinbarung einer Barkaution nicht hinreichend berücksichtigt. Eine vom Mieter gestellte Barkaution diene gerade der Sicherung der Ansprüche des Vermieters, der sich nach Beendigung des Mietverhältnisses auf einfache Weise durch Aufrechnung gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch befriedigen können solle.
Soweit die Aufrechnung im Hinblick auf das bestehende Erfordernis der Gleichartigkeit beider Forderungen voraussetze, dass der Vermieter die ihm bezüglich etwaiger Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung der Mietsache zustehende Ersetzungsbefugnis ausübe, um Schadensersatz in Geld verlangen zu können, habe der Mieter regelmäßig kein Interesse daran, dass dies noch in unverjährter Zeit erfolge. Die isolierte Ausübung der Ersetzungsbefugnis innerhalb der Verjährungsfrist wäre insofern ein lediglich formaler Schritt im Vorfeld zu der für beide Parteien letztlich maßgeblichen Abrechnung des Vermieters über die Barkaution, die ihrerseits nach der Rechtsprechung des Senats nicht in jedem Fall innerhalb der kurzen Verjährungsfrist zu erfolgen hat.
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
§ 215 BGB
Die Verjährung schließt die Aufrechnung und die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts nicht aus, wenn der Anspruch in dem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, in dem erstmals aufgerechnet oder die Leistung verweigert werden konnte.
§ 249 BGB
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. […]
§ 387 BGB
Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann.
§ 548 BGB
(1) Die Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache verjähren in sechs Monaten. Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem er die Mietsache zurückerhält. […]
Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 10. Juli 2024 https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2024/2024144.html